Computer beeindrucken den Menschen mit ihrer stetig zunehmenden Rechenleistung. Dabei wird vergessen, dass die Natur diese technische Errungenschaft nicht nur längst vorweggenommen, sondern bei weitem übertroffen hat. Die schätzungsweise 200 Milliarden vielfach untereinander verdrahteten Nervenzellen des Gehirns ermöglichen es dem Menschen, ein Bewusstsein seiner Selbst, Gefühle und ein enormes Lernvermögen zu entwickeln.
Weit verzweigter Kontakt
Die Grundlage der besonderen Fähigkeiten des Gehirns bildet dessen kleinstes Schaltelement: die Nervenzelle. Von ihrem runden, spindel- oder auch pyramidenförmigen Zellkörper geht ein faserartiger Fortsatz aus, der sich wie eine Baumkrone verzweigen kann. Über diesen auch als Nervenfaser bezeichneten Fortsatz und seine Verzweigungen können elektrische Signale an bis zu 10 000 andere Nervenzellen ausgesandt werden.
Lücken in den Leitungen
Diese Signale lassen sich mit Morsezeichen vergleichen, die Nervenfaser mit einem Telegraphendraht. Kommen die Signale an einem der vielen Faserenden an, blockiert dort ein winziger Spalt die Übertragung auf die nachfolgende Nervenzelle. Um diese Lücke zu überwinden, gibt es spezielle Botenstoffe. Diese werden auf ein elektrisches Signal hin am Faserende in den Spalt ausgeschüttet.
Eifrige Boten
Die Botenstoffen schwimmen durch den Spalt zur folgenden Nervenzelle und setzen sich dort an Andockstellen fest. Je nach Botenstoff und Nervenfaser wird dadurch entweder ein neues elektrisches Signal ausgelöst – oder genau das Gegenteil tritt ein: Die Boten unterdrücken eine Signalentstehung. Dieses Hervorrufen und Blockieren von Signalen durch Botenstoffe steuert den Informationsfluss im gesamten Nervensystem. Folgerichtig geht im Gehirn nichts, ohne dass Botenstoffe ein Wörtchen mitreden. Das gilt auch für Lernvorgänge, die der Mensch so meisterlich beherrscht.
Komplexer Vorgang – das Lernen
Wenn man lernt, bilden sich in den beteiligten Hirnregionen zum einen neue Faserverbindungen aus. Es verbessern sich aber auch die Verbindungen von Nervenfasern zur folgenden Nervenzelle. Zum Beispiel, indem mehr Botenstoffe freigesetzt und bisher ungenutzte Andockstellen aktiv werden. Je intensiver ein Lernvorgang vonstatten geht, beispielsweise durch häufige Wiederholung, desto besser läuft mit der Zeit die Überleitung von Signalen zwischen den beteiligten Nervenzellen. Man kann die Information dadurch zunehmend leichter abrufen. Umgekehrt gilt: Je länger man die ausgetretenen Pfade nicht mehr benutzt, desto mehr "verwildern" sie, so dass man sie mühsam wieder "gängig" machen muss. Anders ausgedrückt: wer rastet, der rostet – nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste.
Das Gehirn als Filter
Das Gehirn leistet mehr, als nur gehörte oder gesehene Informationen zu speichern. Bevor es dies tut, muss es erst die riesige Informationsflut, die von den Sinnen des Menschen ausgeht, filtern, bewerten und sortieren. So schützt es sich vor einer Reiz-Überflutung.
Nicht jede Information gelangt ins Bewusstsein
Wie eine solche Überflutung aussähe, kann sich jeder vorstellen, der schon einmal zur Hauptgeschäftszeit in einer Großstadt unterwegs war – überall ein Gewimmel von Menschen, lautes Gehupe und blinkende Lichter. Manches registriert und verarbeitet das Gehirn zwar, aber es lässt diese Dinge nicht vollständig ins Bewusstsein durchdringen. Das gilt im Übrigen auch für viele lebenswichtige Funktionen im Körper, die wie die Atmung diskret vom Gehirn überwacht und reguliert werden, ohne dass man dies bemerkt.
Gesprochen wird in der Großhirnrinde
Eine für die geistige und kulturelle Entwicklung des Menschen besonders wichtige Leistung des Gehirns stellt seine Fähigkeit dar, Sprache zu lernen, zu verstehen und hervorzubringen. Dazu steuert es beim Sprechen die Kehlkopf- und die Gesichtsmuskulatur, die Zunge sowie die Stimmbänder. Für dies alles sind in der Großhirnrinde vor allem das motorische und sensorische Sprachareal zuständig. Schäden in diesen Bereichen, etwa durch Schlaganfälle, können Menschen ganz oder teilweise verstummen lassen.
Computer mit Gefühl
Das Gehirn beeinflusst auch die Gefühle, und zwar unter maßgeblicher Mitwirkung des limbischen Systems. Diese Hirnregion liegt an Nahtstelle zwischen Stammhirn und Vorderhirn. Sie ist beteiligt, wenn Menschen traurig, fröhlich und schwermütig sind. Dabei spielen zahlreiche Botenstoffe eine Rolle, wie zum Beispiel das Dopamin, Noradrenalin oder Serotonin. Es verwundert daher nicht, dass bei einer Reihe psychischer Erkrankungen die Freisetzung dieser Botenstoffe gestört ist.
Glückshormon Serotonin
So beobachtet man bei Depressionen unter anderem eine zu geringe Freisetzung des Botenstoffes Serotonin. Zahlreiche moderne Medikamente gegen Depressionen sorgen bei Bedarf für eine verstärkte Wirkung von Serotonin, indem sie dessen Abbau oder seine Wiederaufnahme in Nervenfaserenden blockieren.
Psychische Störungen durch zu viel Dopamin
Bei einer als Schizophrenie bezeichneten Persönlichkeitsstörung wirkt vermutlich das Dopamin zu stark. Es bringt dadurch nicht nur die Gefühle durcheinander, sondern auch geistige Fähigkeiten, die Wahrnehmung und das Bewusstsein. Die dagegen eingesetzten, als Neuroleptika bezeichneten Arzneimittel blockieren bestimmte Andockstellen für Dopamin. Dadurch es keine übermäßige Wirkung mehr entfalten. So lassen sich psychotische Symptome, zum Beispiel Wahnvorstellungen bei der Schizophrenie, mildern. Neuroleptika und Antidepressiva müssen von erfahrenen Ärzten verordnet werden. Auch eine Dopamin-Mangel führt zu Erkrankungen.
Morbus Parkinson
Bei der gefürchteten Schüttellähmung, dem so genannten Morbus Parkinson, gehen eine kleine, den Botenstoff Dopamin produzierende Ansammlung von Nervenzellen im Mittelhirn zu Grunde. Als Folge davon verlaufen Bewegungen langsamer und ruckartiger oder werden zeitweise ganz unmöglich. Typisch ist ein immer stärkeres Zittern der Hände. Außerdem wird die Mimik beeinträchtigt, das Gesicht wirkt maskenhaft. Auch die geistigen Fähigkeiten können sich vermindern. Arzneimittel, die zu einer gesteigerten Produktion von Dopamin im Gehirn führen, mildern die Symptome des Morbus Parkinson, führen aber bei etwa der Hälfte der Patenten nach fünf bis zehn Jahren zu deutlichen Wirkungsschwankungen.
Das Gehirn als Choreograf
Wahrhaft meisterlich beherrscht das Gehirn etwas, dass so selbstverständlich abläuft, dass man es im Alltag kaum so recht wahrnimmt: die Bewegung. Wie ein Ballettmeister seine Tänzer, so treiben das Kleinhirn, Teile der Großhirnrinde und einige darunter liegende Hirnareale die Muskeln des Körpers an und stimmen deren Bewegungen aufeinander ab. Wichtige Helfer sind dabei Nervenzellen im Rückenmark, die Bewegungsbefehle an die Muskelfasern weiterleiten. Sie Steuern außerdem einfache Reflexe, wie etwa den Kniesehnenreflex, den der Arzt mit einem Hämmerchen testet. So fein lassen sich die Muskeln steuern, dass man mit dem Pinzettengriff von Daumen und Zeigefinger sogar einen Faden durch die Öse einer Nähnadel bekommt.
Training ist notwendig
Übrigens hat das Gehirn Bewegungsabläufe nicht von Geburt an parat. Sie müssen reifen und durch Üben verbessert werden. Das gilt für Kinder beim Laufenlernen oder auch für Sportler, die für perfekte Bewegungsabläufe sehr hart trainieren müssen. Solche Lernvorgänge laufen zum Teil unterbewusst ab.
Die Wörter links, die Bilder rechts
Noch bis Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts glaubte man, die beiden Großhirnhälften täten zumindest prinzipiell das Gleiche. Heute weiß man, dass sie zum Teil verschiedene Funktionen haben. Sprache und Spracherkennung etwa leistet bei den meisten Menschen bevorzugt die linke Gehirnhälfte, während die rechte Hälfte ihre Stärken in der Regel bei der Erkennung von Mustern, Musik, Mimik oder bildhaften Zusammenhängen hat.
Auch ein zweimal lernen, ist möglich
Ein schwacher Bezug zur Links- und Rechtshändigkeit scheint dabei zu bestehen, denn etwa 15 Prozent der Linkshänder haben ihr Sprachzentrum rechts. Erstaunlich ist, dass bei Hirnverletzungen im Kindesalter die rechte Hirnhälfte beim Sprachlernen für die linke Hälfte einspringen kann – ein guter Beleg für die Flexibilität der Großhirnrinde. Diese Flexibilität ist es im Übrigen auch, die es vielen Schlaganfallpatienten in Grenzen ermöglicht, verlorene Fähigkeiten durch intensives Training wieder zu erlernen.
Quelle:
http://www.gesundheitslexikon.de
SarahK - 2. Feb, 17:03